„Die Schere schließen – Perspektiven einer sozialdemokratischen Sozialpolitik“

Veröffentlicht am 12.04.2023 in Veranstaltungen

Soziale Unsicherheit, Armut, Bürokratie und damit verbundener Aufwand und Ärger auf der einen Seite und hoher Reichtum auf der anderen Seite fallen vielen Bürgerinnen und Bürgern zuerst ein, wenn es um Sozialthemen geht. 

Die zum Ausdruck kommende Unzufriedenheit, gar die Sorge um die eigene soziale Sicherheit wird durch die Spannungen in der Dreierkoalition der Bundesregierung nicht gemindert. Die Frage, wie die soziale Schere wieder geschlossen werden kann, stellt sich vielen und sie finden nicht immer befriedigende Antworten. Das gewählte Thema der Veranstaltung mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Lars Castellucci am 05.04. wurde folglich gleichermaßen leidenschaftlich, wie kontrovers diskutiert. Der Ortsvereinsvorsitzende Holger Schröder begrüßte den Gast und moderierte die Diskussion im Café Mulin in Mühlhausen. 

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Ausgangspunkt der Veranstaltung war die sich in den letzten Jahren zugespitzte Polarisierung in der Einkommens- und Vermögensverteilung und die einhergehende Erosion der Gesellschaft. Die Belege dafür sind vielfältig. 
Armut ist im Land des Reichtums zu einem breiten gesellschaftlichen Problem geworden, das das Leben des Einzelnen und den Zusammenhalt der Gesellschaft bedroht, das zeigen viele Studien. Statistische Erhebungen zur Vermögensverteilung leiden dabei stets unter dem Mangel von fehlenden Angaben zu Vermögen von Superreichen, da keine Vermögenssteuer mehr erhoben wird. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bezieht daher zusätzliche Informationen beispielsweise aus der sogenannten Forbes-Liste ein und kommt zu einem drastischen Befund. Nach dieser Schätzung fällt das gesamte Nettovermögen der privaten Haushalte in Deutschland zwei bis drei Billionen Euro höher aus als es meist in den Medien dokumentiert wird. Das reichste Prozent der Haushalte (rund 3000 Personen) verfügt nach diesen Schätzungen über rund ein Drittel des Gesamtvermögens – und nicht nur ein Fünftel, wie meist angenommen wird. Wenn 10 oder 15 Personen über Vermögen von jeweils 20-30 Mrd. € verfügen, ist dies auch nicht unproblematisch hinsichtlich des politischen Einflusses, der eigentlich für alle Staatsbürger gleich sein sollte.

Ein anderer Teil der Problemlage ist die gleichzeitig in den letzten Jahrzehnten entstandene und sich auf hohem Niveau haltende Armut in Deutschland. Die Bertelsmann Stiftung berichtete im Januar diesen Jahres, dass „mehr als jedes fünfte Kind und jede:r vierte junge Erwachsene (...) in Deutschland als armutsgefährdet (gelten). Alleinerziehende sowie Familien mit drei und mehr Kindern sind besonders betroffen. Die Daten zeigen, dass sich die Lage nicht gebessert hat.“

Die frühere sozialdemokratische Strategie zur Entgegnung von Armut und sozialer Not lautete, mehr Bildungsgerechtigkeit, damit alle teilhaben können an der Gesellschaft und am gemeinsam erlangten Wohlstand. Jedoch ist die Bildungsungerechtigkeit ebenfalls nach wie vor ausgeprägt und die soziale Herkunft lenkt noch immer die Lebenschancen des Einzelnen. Armut reproduziert sich entsprechend fortlaufend. Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), Jutta Allmendinger, prägte daher bereits vor längerer Zeit den Begriff „Bildungsarmut“. Es zeigt sich insgesamt, dass die soziale Situation und ihre Entwicklung in den letzten Jahrzehnten, sich nicht mit den Vorstellungen der Sozialdemokratie zu Gleichheit, Solidarität und Freiheit vereinbaren lassen.

Die Hartnäckigkeit mit der sich Armut und Bildungsungerechtigkeit in Deutschland halten und offenkundig sich zumindest in Teilen ausweiten, kann für die Sozialdemokratie nicht bedeuten, schlicht ein wenig mehr Sozialausgaben einzufordern und dann zur Tagesordnung überzugehen. Dies zeigte sich in der Diskussion sehr deutlich. Es wurde darauf verwiesen, dass es schließlich einen Unterschied zwischen einer Wohltätigkeitsinstitution und der SPD gäbe. Ist Wohltätigkeit „das Wirken Einzelner oder von Organisationen zu Gunsten Bedürftiger durch >>milde Gaben<< (Almosen, Geschenke, Spenden) und gilt sie seit alters als besondere Tugend vieler Religionen“ (Wikipedia), so begründet sich die Sozialpolitik der SPD durch Rechte. Der Gleichheitsgrundsatz des Menschen, der bereits in der Formel der französischen Revolution, der europäischen Aufklärung und schließlich auch im Grundgesetz zum Ausdruck kommt, muss nach wie vor Richtschnur für eine sozialdemokratische Politik im Bereich des Sozialen, der Bildung und der Wirtschaft sein. Dem formalen Recht auf Gleichheit nach dem Grundgesetz muss die Gleichheit der Chancen des Individuums folgen. Es müssen daher erst Bedingungen geschaffen werden, die dem Einzelnen diese Chancen vermitteln und aus denen er heraus auch Eigenverantwortung und solidarisches Handeln erlernen und auch seiner Verantwortung als Staatsbürger gerecht werden kann. Sozialpolitik, das zeigte sich in der Diskussion, ist daher von der Idee her weit mehr als Armenhilfe.

Hierzugehört auch ein kritischer Blick auf marktwirtschaftliches Handeln, das nicht aus sich heraus eine „gerechte“ Ordnung herstellt. Daher ist seit Beginn der demokratischen Gesellschaft klar, dass gemeinschaftliches, über Wahlen legitimiertes Handeln, eingreifen muss, um den ungerechten Marktergebnissen entgegenzutreten. Sozial gerechtere Verhältnisse wurden daher erst gemeinsam mit den Gewerkschaften schrittweise errungen. Dabei blieben die Vorstellung von „sozialer Gerechtigkeit“ zugleich recht vage und unbestimmt, dies gilt bis zur heutigen Diskussion um die sozialdemokratische Sozialpolitik, wie sie auch im Cafe Mulin geführt wurde.

Es war daher für Holger Schröder keine leichte Aufgabe die Beiträge zu ordnen, auf die Fragestellung der Veranstaltung zu lenken und die Diskussion schließlich in einen Abschluss zu führen. Lars Castellucci wies u.a. darauf hin, dass eine Arbeitsgruppe von SPD-Abgeordneten sich den Möglichkeiten einer Vermögensabgabe widmet. Die Gäste der Veranstaltung sind gespannt auf die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe und würden die Diskussion um die Perspektiven einer sozialdemokratischen Sozialpolitik gerne fortsetzen.

Fortsetzen würde der SPD-Ortsverein auch gerne die gemeinsamen Treffen im Café Mulin in Mühlhausen, nicht zuletzt wegen der hervorragenden und herzlichen Betreuung und Versorgung. Den Damen sei an dieser Stelle vielmals gedankt!

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